Einsam und einzigartig: The Loneliest Road in America
Auf U.S. Highway 50 durch die Wüste von Nevada
Du glaubst, die Wüste von Nevada sei leer und langweilig? Dann bist du hier noch nie den Highway 50 gefahren, „The Loneliest Road in America“. Komm mit auf unseren Road Trip und lass dich überraschen: von einem echt schrägen Rastplatz und einer Schnaps-Bar, die keine Wünsche offenlässt. Von uralten Rostlauben und urigen Ruinen aus besseren Tagen, von herrlich blühenden Büschen am Straßenrand und malerischen Bergketten. Sonniges Wetter, Ruhe und Frieden sind garantiert.
In Carson City im Westen von Nevada starten wir mit vollgetanktem Auto und einer gut gefüllten Proviantkiste. Vor uns liegen 321 Meilen (517 Kilometer) auf dem U.S. Highway 50, was mehr als fünf Stunden reine Fahrzeit bedeutet. Unser Ziel ist die Stadt Ely im Osten des Bundesstaats. Der Highway 50 durchquert nicht nur Nevada, sondern den gesamten Kontinent: Er verbindet West Sacramento, Kalifornien, im Westen mit Ocean City im Bundesstaat Maryland an der Ostküste.
Genau der Abschnitt, der durch die Mitte von Nevada führt, trägt den Beinamen „The Loneliest Road in America“. Marketing-Gag oder Wahrheit? Tatsächlich dünnt der Verkehr zwischen Carson City und Silver Springs zunehmend aus, und dann wird die Straße so einsam und leer, wie der Name verspricht. Manchmal sagen wir: „Cool, der Highway gehört uns ganz allein!“ Bis dann vor uns am Horizont ein anderes Fahrzeug auftaucht.
Weil wir immer neugierig auf Lost Places sind, haben wir vorher noch einen Fotostopp in dem kleinen Ort Stagecoach eingelegt, denn da bröckelt das alte Oasis Restaurant vor sich hin. Fenster und Türen sind mit Brettern vernagelt, und der grüne Schriftzug „Oasis“ ist verblasst. „Food and Spirits“, wie das alte Werbeschild ankündigt, werden hier schon lange nicht mehr serviert. Unbeeindruckt vom Zahn der Zeit wirkt hingegen der grasgrüne Betonkaktus am Straßenrand. Er diente früher einmal als Blickfang, um die Reisenden zum Restaurant zu locken.
Blütenrausch an der Loneliest Road in America
Das historische Overland Hotel in Downtown Fallon hat dagegen die Zeiten überdauert; hier wurde der erste Whisky bereits 1908 ausgeschenkt. Draußen ist es heiß, drinnen schön kühl, und wir bestellen uns an der Bar Orangensaft. Was bedeutet: Gläser voller Eiswürfel, jeweils mit einem kleinen Schuss O-Saft. Weicheier, mag die Barkeeperin dabei denken, hat sie doch einen überwältigend großen Vorrat an alkoholischen Getränken im Angebot.
Jetzt am späten Vormittag ist nicht viel los. Außer uns sitzt nur eine Frau an der Theke, vertieft in eine Unterhaltung mit der Bedienung. Ihr schwarzer Hund beschnuppert uns, findet uns sympathisch und wedelt freundlich mit dem Schwanz, bevor er von Frauchen wieder zurückgerufen wird.
Weiter geht die Fahrt durch die karge, sonnenbeschienene Landschaft der Great Basin Desert. Der Highway zieht sich schnurgerade durch das flache Land. Abwechslung für das Auge bieten nur die Mountain Ranges, die wir immer wieder überqueren. Von diesen Bergketten gibt es Unzählige in Nevada.
Die Great Basin Desert ist Teil des Großen Beckens, das sich als Hochebene zwischen der Sierra Nevada im Westen und der Wasatch Range weiter östlich ausbreitet. Sie erstreckt sich über große Teile von Nevada und Utah und reicht bis zum Osten von Kalifornien. Von den vier großen Wüsten Nordamerikas, zu denen auch die Mojave-, die Sonora- und die Chihuahua-Wüste gehören, hat die Great Basin Desert die größte Ausdehnung. Sie ist eine gemäßigte Wüste mit heißen, trockenen Sommern und schneereichen Wintern.
Wer als Pflanze in dieser Gegend überleben will, muss Hitze, Kälte und Trockenheit vertragen. Diese Widerstandskraft hat vor allem eine Pflanze perfektioniert: Sagebrush, der Wüsten-Beifuß. Wohin wir auch blicken, überall auf den Ebenen und an den Hängen wachsen die graugrünen Sträucher. Der Sagebrush ist so typisch für Nevada, dass man ihn in den Rang eines staatlichen Symbols erhoben hat. Den Straßenrand aber hat sich eine andere Pflanze erobert, der Rabbitbrush mit seinen gelben Blüten. Die Büsche in ihrem Blütenrausch begleiten uns Meile um Meile; sie sehen so hübsch und dekorativ aus, als hätte eine Schar von Gärtnern sie angepflanzt.
Monster-Burger am Highway 50
Wow, das sind ja Monster-Burger, die die Leute da auf die Terrasse tragen! Und genauso heißen die Riesenburger, die man an der Middlegate Station bekommt, einem sehr originellen Rasthaus in the Middle of Nowhere. Wir hingegen sitzen an einem zerschrammten Picknicktisch und lassen uns Joghurt mit Bananen und Blaubeeren schmecken. Eine Mahlzeit, die aus Sicht der Burger-Esser höchstens als Dessert taugen würde.
An der Middlegate Station haben früher die Reiter des legendären Pony Express ihre Pferde gewechselt. Während der schnelle Postdienst 1861, nach nur anderthalb Jahren, seinen Betrieb einstellte, blieb die Station als Rasthaus erhalten, heute für die Reisenden auf dem Loneliest Highway. Außer dem Restaurant bietet die Middlegate Station auch ein kleines Motel und einen Campingplatz an, auf einem weitläufigen Gelände, das Ähnlichkeiten mit einem Schrottplatz aufweist.
Wir fahren weitere 65 Meilen durch die Great Basin Desert, ohne ein einziges Gebäude zu sehen, kein Farmhaus, keine Hütte, keine Scheune. Dann erreichen wir ein weiteres Highlight der Loneliest Road in America: Stokes Castle. Die Burg, die heute nur noch aus einem wuchtigen viereckigen Turm besteht, thront seit 130 Jahren auf einem Hügel über dem kleinen Ort Austin. Sie zeugt davon, dass so mancher in der Zeit des Silberbergbaus zu Reichtum gelangt ist.
So bemerkenswert das Castle auch sein mag, beeindruckender ist der herrliche Panoramablick auf die karge Wüstenebene unten im Tal. Austin hat nur 167 Einwohner, bietet den Reisenden aber einen hübschen kleinen Rastplatz. Hier gibt’s für uns Kaffee und Kekse aus dem Kofferraum.
Eureka, der nächste Ort an der Strecke, kann immerhin 414 Einwohner vorweisen. Der Legende nach wurde das Städtchen nach einem Ereignis benannt, das zu seiner Gründung führte: Einer der Männer, die in der Gegend nach Erzvorkommen suchten, rief „Heureka!“ (englisch Eureka) – er hatte soeben eine ergiebige Silberader entdeckt.
Eureka bezeichnet sich als „Friendliest Town on the Loneliest Road in America”. Besonders stolz sind die Bewohner auf ihr „Opera House“, das im Jahr 1880 Kultur in die Boom Town des Wilden Westens brachte. Heute strahlt das Opernhaus frisch renoviert im Historic District und dient als Veranstaltungsort für jede Art von Kultur.
Die Sonne neigt sich in Richtung Horizont, und es wird Zeit für uns, die letzten 80 Meilen Wüste hinter uns zu bringen. Endlich erreichen wir Ely, mit 4.000 Einwohnern der größte Ort, seit wir Carson City verlassen haben. Auch Ely verdankt seine Gründung dem Pony Express. Heute liegt die Stadt verkehrsgünstig an der Kreuzung der U.S. Highways 50, 93 und 6; sie ist außerdem das Tor zum Great Basin National Park.
Du magst jetzt denken: Na, viel habt ihr auf dieser langen Strecke ja nicht gesehen …
Oh doch, denn wir haben einen ganzen Tag lang die unglaubliche Weite der Wüste erlebt!
Mehr Infos: Highway 50 Road Trip | The Loneliest Road in America
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Das USA-Lesebuch: Impressionen und Rezepte aus dem Land der großen Träume